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Die Grundlagen- und nicht nur angewandte Forschung- ist im Bereich der Kenntnis der überbegabten Personen besonders notwendig. Und sie ist es auf Punkten, von denen wir hier nur die Existenz unterstreichen können, indem wir mögliche Bezugspunkte und Wegzeichen für ihre Behandlung vorschlagen.
Bestimmte Darstellungen enthüllen ständige Verwirrungen und begriffliche und empirische Lücken, von denen sich Vorurteile und unbefriedigende Praktiken ergeben. Nehmen wir nur zum Beispiel die ständige und bizarrerweise immer wieder erneuerte Begriffsverwirrung zwischen den Konzepten und Tatbeständen der Begabtheit und des Talentes.
Die gebrauchten Begriffe haben selbstverständlich nur einen Sinn, als sie Tatsachen übersetzen, und wir wünschen keinen lexikalischen Fetischismus zu betreiben, dort, wo keineVerzerrung offenkundig ist. Andererseits werden die Worte, in einem Bereich breiter Anwendung, oft als wirksame Überzeugungs- undVerwirrungsvektoren gebraucht oder mißbraucht.
Die Begabung bezieht sich auf eine psychologische Eigenschaft des Individuums und ist auf eine ziemlich wissenschaftliche Art und Weise feststellbar. "Ziemlich" in dem Sinne, da sie oft nicht spontan, "naiv", als solche wiedererkannt wird: und zwar weder durch die Umgebung, noch sogar durch den Interessenten oder durch einen der beiden.
Außerdem stellt die Begabungsfähigkeit die wirkungsvolle Tendenz der Begabung oder - in anderen Worten- des Begabungspotentials dar, sich spontan zu steigern, was ja eine der grundlegenden Eigenschaften beim Kind ist.
Das Talent ist eine psychosoziale Charakterisierung, die durch die ganze oder einen Teil der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Geschichte angenommen wird, um derzeitige Kapazitäten zu bezeichnen, die man dazu neigt,für eine objektive Wirklichkeit zu nehmen.
Die Begabung bezieht sich auf eine, nur unter bestimmten Bedingungen sich aufzeigende Verwirklichungsmöglichkeit.
Man stellt sie nur durch auffallende Verhaltensindizien, die in diesem Falle und unter diesem Gesichtspunkt "performativ" sind, aber es bedurfte dessen, daß man sie aufsuchen und auffinden mußte oder muß, da sie im allgemeinen außer jedem offenkundigen Nutzen ihrer Verwirklichung bar ist.
Das Talent hingegen ist ein Erfolgserlebnis und -beweis, das wenigstens schon lokal und zeitweilig, öffentlich oder außerwissenschaftlich, in einem bestimmten Gebiete der menschlichen Aktivität angenommen wurde, wo sie, durch einen gesellschaftlichen Konsens, als Beitrag geschätzt wird.
Dieser ist oft etwas umstritten, ob diskret oder laut, aber er kann bis zur Einstimmigkeit, ja sogar zum dithyrambischen Lobe gehen.
Natürlich kann dieser gesellschaftliche Konsens auch einstürzen oder - besonders in den am wenigsten technowissenschaftlichen Bereichen - umdrehen: man bedenke z.B. den stolperigen Schicksalsweg der französischen " pompösen" Maler der Driiten Republik am Ende des XIX. Jahrhunderts.
Doch gerade die technowissenschaftlichen Sektoren sind schlechthin Erfindungs- und Innovationsstandorte, obzwar sie oft als Antithese der ausgewählten Sektoren der Kreativität dargestellt werden, die man manchmal fast ausschließlich in den ästhetischen oder künstlerischen Bereichen angesiedelt sehen möchte: ein zusätzliches Überlegungsmotiv.
Eines der Hauptverdienste der wissenschaftlichen Psychologie, am Beginn des XX. Jahrhunderts, hat darin bestanden,über- oder Hochbegabungen zu entdecken, das heißt in anderen Worten : verheimlichte Möglichkeiten aufzudecken, und dies sogar dort, wo die gewöhnliche Schulbeurteilung oft Schulmißerfolge oder sogar Unerziehbare diagnostizierte.
Diese Begriffsverwirrung taucht immer wieder auf und wiederholt präzise Probleme in der pädagogischen Praxis. Sogar in unsererErfahrung mit speziellen Klassen für Überbegabte kommt dies vor. Dieser oder jener Überbegabte wird oft für unverdaulich und nicht assimilierbar gehalten; und diese selben pragmatischen Beurteilungen behindern alles bis hin zum hervorragenden intuitiven und beschreibenden Scharfsinn, den einige unter uns manchmal versuchsweise seitens der Lehrer bestätigen bekommen konnten,bis sogar in schwierigen Schulsektoren.
Die Begriffe Begabung und Talent oder ihre Äquivalente können nicht benutzt werden, als ob sie auswechselbar wären. Die Verwirrung wird am allerschädlichsten, wenn sie auf dem Gebiete der Erziehung grassiert.
So täuscht man sich, wenn man in der Schule den Ausdruck "überbegabt" benutzt, um einen "guten Schüler" zu benennen. Der Schulerfolg ist bereits als eine Variante des Vor- Talentes einzustufen und nicht als Begabung.
Eine weitere zusätzliche wichtige Fehlerquelle besteht darin, zu denken, daß ein mit hohen Eignungen begabtes Kind ein Kind ist, das in der Schule erfolgreich ist. Die tägliche Wirklichkeit beweist oft das Gegenteil.
Die Schwierigkeit ist nicht geringer, wenn es sich darum handelt, die schulischen Erfolgserlebnisse mit den beruflichen Erfolgserlebnissen zu vergleichen, besonders im Hinblick auf die zukünftige Lebensplanung: diese bestimmen sich aus Kompetenz oder Talent ist und sind auf unterschiedlich und wellenförmige, nicht gradliniege Faktoren zurückzuführen. Die Idee einer beruflichen Überbegabung ist noch fälscher als jene der schulischen überbegabung.
Diese Unterscheidungen haben gar nicht zum Ziel, den Spezialisten der Begabung von allen Verbindungen mit den Kriterien von Schule, von Beruf, vom privaten oder gesellschaftlichen Leben zu entlasten. Das Gegenteil ist wahr.Keine einzige Arbeit über Begabung und Überbegabung kann ohne die Perspektive dieser Strukturen, ihren Verbindungen und ihren Kausalitäten erfolgen. Die Familie genau so wie die Schule sind Mikrokosmen, die es absolut notwendig ist, zu schützen. Denn die Abschottung gegenüber dem Zeitgeist, wenn sie sich radikal wollte,wäre unmöglich und im übrigen schädlich. Die Rolle der Ausbilder besteht darin, einerseits eine Verbesserung des Zeitgeistes zu bewirken, falls er als inadequat angesehen werden könntewird, andererseits aber auch die ihnen Anvertrauten auf den wirksamsten, erfinderischsten und besten Gebrauch des gbestehenden Zeitgeistes vorzubereiten.
Folglich haben wir uns immer mehr nützliche Gedanken über die psycho-sozialen Bedingungen zu machen, die es den Menschen ermöglichen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen oder auch nicht, sie durch Erfolge oder auch durch Mißerfolge im Bereich der menschlichen Aktivitäten zu materialisieren. Diese Überlegung und ergo diese Forschungen sind nur möglich, wenn man die ursprünglich sehr starke Unabhängigkeit der psychometrisch festgestellten Begabung und Überbegabung - im Verbund mit dem entsprechenden wissenschaftlichen und professionellen Apparat anerkannt hat.
Die Benutzungsfunktion der Befähigungen betrifft eine Tatsache, die jeder Eignung in ihrem Funktionieren eigen ist. Einige nennen diese Funktion auch chrestische Funktion oder Chrese - Gebrauchsfunktion). Um zu für jedermann nützlichen Kapazitäten zu kommen, und dies natürlich zuallererst für den Betroffenen, benutzt diese Funktion einen internen Vorgang : jenen der Wechselwirkung zwischen Eignungen und/oder deren Zwischen- und Wechselbenutzung. Die Entwicklung eines Kindes, eines Jugendlichen oder eines Erwachsenen beinhaltet den Gebrauch, den eine besondere Eignung (oder mehrere Befähigungen) im Wechselwirkung mit anderen Eignungen der gleichenPerson hat/haben. Es ist genau diesen Vorgang, der die Grundlage des inneren geistigen Lebens bildet, den es sich empfiehlt, zu erforschen, zu kennen,sowie ihm Beistand zu leisten. In der Tat kommt das Herausfordern der Befähigungen, das einzig ihre Wartung und ihr Wachstum gewährleistet, sowohl vom Inneren (Endochrese) als auc von außen (Exochrese). Hier liegt zweifellos der Hauptbereich des pädagogischen und soziopsycho-pädagogischen Eingreifens.
Die Begabungswissenschaft führt in ihren Handlungen bewußt und systematisch die Entwicklung der Begabtheitsfähigkeit weiter, indem sie vom bewußtenVorgehen der Person ausgeht, dies unter geeigneter Mithilfe. Sie zielt daraufhin ab, bei jedem die Aktualisierung seiner grundlegenden Eignungen, dieser unentbehrlichen möglichen Quelle von Kapazitäten und dargestellten Kompetenzen zu ermöglichen und zu verstärken. Anvisiert wird zuerst die Organisation der Wechselwirkung zwischen Eignungen selbst. So ist die Entwicklung der Erkennungsintelligenz in einem kreativen Sinn ohne die gemeinsame Entwicklung einer erfinderischen Aktivität im allgemeinen nicht möglich. Diese betrifft eher Träume oder Träumereien, die aber ebenso unentbehrlich sind wie die Methoden- und Maschinenbewaffnete Logik.
Sie ist aber auch nicht ohne einen systematischen Rückgriff auf eine theoretische, experimentelle und praktische Psychologie des Willens möglich, so wie es insbesondere aus den Forschungsarbeiten der Gruppe " Einfluß der SozioPsychologie, Aktion Forschung Erziehung (GESPARE), einer Mitgliedsorganisation hervorgeht, von der bestimmte oben ausgeführte Ideen stammen.
Die Inspirationsquellen von Eurotalent haben selbstverständlich viel von den Erfahrungen internationaler Kolloquien oder Kongresse, die von Eurotalent oder von anderen organisiert worden sind,profitiert. In sie sind auch Überlegungen, Wissen und Geländeerfahrungen aus Nord- und Süd-, West- und Osteuropa, aber auch aus anderen Kontinenten, aus Quebec und aus Ontario ( USA), aus Mittel- und Lateinamerika, aus verschiedenen Treilen Afrikas und Asiens, eingeflossen.
Noch ist die Begabungswissenschaft als solche und ihr Übergang zur Handlung ein ungenügend durchforsteter Forschungsbereich. Kulturproduktionen erneuern sich unaufhörlich. Mangels bestimmter anwendungserzeugender Grundlagenforschungsarbeiten laufen die Errungenschaften Gefahr, zu erstarren und nicht mehr der sich in ständiger Entwicklung befindenden sozio-kulturellen Realität angepaßt zu sein.
Der interdisziplinäre Charakter der Forschungsarbeiten ist momentan offenkundig. Er erfordert eine Zusammenarbeit, die insbesonders von der neurologischen Physiologie bis zur Soziopsychologie reicht. Leider sind diese Wissensgebiete im allgemeinen zu ihrem eigenen Schaden stark getrennt.
Vielleicht werden es die Erfahrungen der Interventionen vor Ort, die sich mit diesen praktischen Problemen beschäftigen, sein, die die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Partnern dank des assoziativen Katalysators der gemeinsamen Unternehmen, hervorbringen.
Eurotalent kümmert sich nicht nur um Kinder, aber dies ist dennoch für uns ein wesentliches Interessenzentrum. Wenn auch zahlreiche
wissenschaftliche " Bemutterungsstrukturen" sich um das Kind streiten, so bleibt doch immer die authentischste Mutter jene, die es nicht in Stücke schneidet. So lautet das Urteil von König Salomon von vor etwa dreitausend Jahren, gefällt nach einer schon in vollem Umfang begründeten soziopsychologischen Versuchsmethode. Wie üblich in jedem guten Versuch hatte sie eine Theorie im Hinterkopf : im vorliegenden Fall ein Modell des Menschen. Ein Teil der menschlichen Natur (im vorliegenden Fall durch die Frau bewiesen), zeigt auf, daß die Liebe sehr großzügig ist und es ermöglicht, andere mehr zu lieben als sich selbst und seine eigenen Interessen, inklusive dasjenige des Besitzes am Kinde. Die Liebe läßt also die erwachsenen Erzieher das Kind ihnen selbst vorziehen. Eine alte Lehre, die die unersetzbare Berufung der Eltern, der Erziehenden und der Akademiker betrifft.
Sokrates (Plato, in: Menon) bewies, daß das erstbeste Kind, und sei es ein nicht-griechischer Sklave, genügend mathematikbegabt ist, um das Pythagoreische Theorem zu beweisen. So gründete er eine kognitive und experimentale, heute noch sehr moderne und zukunftsträchtige Soziopsychologie. Dies ist umso bemerkenswerter, denn wenn man seine Erfahrung in Gegensatz zu gewissen heutigen Vertretern mit klaren rassenfeindlichen Tendenzen setzt, die die Gauss'schen Verteilungskurven in diesem Sinne auslegen und dabei selber von sich behaupten, wissenschaftliuch zu sein und davon noch überzeugt sind, obwohl sie die äußeren Zeichen ihres unausgegorenen Denkens mit einer vorgegebenen probabilistischen Technizität übertünchen. Sokrates, obzwar er als Gesamtmuster nur ein einziges Beispiel nahm, war und ist überzeugender.
Ähnlich war Salomon etwa 500 Jahre vorher ein Theoretiker und Experimentalpsychologe von hoher Bedeutung, einer des allerersten, den die Geschichte erwähnt und in dessen Lehre wir gehen konnten. Es war dies eine Schule mit praktischen Arbeiten und - wie jedeSchule - war sie für uns zuerst eine Rechtsschule: und ginge es nur um das Recht eines jeden Kindes, ausgebildet und gelehrt zu werden, woraus sich diePflicht für jeden Erwachsenen ergibt, dieses Recht zu respektieren und integral respektieren zu lassen. Wie jedes wirksame Recht ist es nur dieVerlängerung und die Verstärkung einer natürlichenSpontanität, die, vorbereitet durch die Entwicklung von Jahrmillionen, jene der elterlichen Liebe ist.